PDA

Engelsgeduld

Geduld brauchen alle Eltern, aber wir glauben, dass Eltern von PDAer-Kindern besonders viel davon haben müssen. Warum?

Gefühlt dauert a l l e s sehr lange; Warten nimmt einen sehr großen Teil des Tages ein. PDAer brauchen permanent das Gefühl, Autonomie und Kontrolle über sich (und damit auch über ihre Umwelt) zu haben. Andernfalls nimmt die Angst zu und die Wahrscheinlichkeit für Overloads und Meltdowns steigt (abhängig vom aktuellen Stresspegel und der aktuellen Toleranzschwelle). Erhöhen die Eltern den Druck auf das Kind, geht es im besten Fall einfach nicht mehr voran; im schlechtesten Fall wird das Vorhaben verunmöglicht und ein Meltdown folgt. Dem Kind die Zeit zu geben, die es braucht, erfordert extrem viel Geduld.

Kreativität

Jede Form von Routine kann beim PDAer durch deren Wahrnehmung als Anforderung Vermeidungsverhalten auslösen. Neues und Unerwartetes kann hingegen den Anforderungscharakter reduzieren. Nun ist es so, dass viele Aktivitäten und Notwendigkeiten des Alltags einfach immer wieder und regelmäßg nötig sind. Morgendliches Aufstehen beispielsweise ist an den meisten Tagen nötig und darum eine Anforderung. Für den PDAer könnte das Aufwachen und Aufstehen erleichtert werden, indem es immer wieder etwas variiert wird.

Beispiele:

– Einbeziehen von Kuscheltieren

– eine kleine Süßigkeit in seine Hand legen

– kitzeln oder Massage

– einen kleinen Wettbewerb initiieren (z. B. „ich frage mich, wer zuerst im Bad ist…“) usw.

Anmerkungen:

(1) Ob und wie viel man mit solchen Anpassungen erreicht, ist immer auch abhängig vom aktuellen Stresspegel, der aktuellen Toleranzschwelle etc.

(2) Wenn jemand denkt „Aufstehen ist doch für viele (Kinder) schwierig“, kann ich nur antworten: Ja, aber bei PDAern betrifft dies nahezu alle Verrichtungen des alltäglichen Lebens.

(3) Was heute gut funktioniert, funktioniert wahrscheinlich morgen nicht mehr. Man könnte es aber in ein paar Tagen wieder versuchen.

Um (irgendwie) durch den Alltag zu kommen, brauchen Eltern von PDAern darum sehr viel Einfallsreichtum und Kreativität.

… und wir reden hier nur von den alltäglichen Anforderungen, die als selbstverständlich vorausgesetzt werden (wie aufstehen, anziehen, essen, Zähne putzen, waschen).

Ein dickes Fell

… nach außen

Von außen sieht die Art der „Erziehung“ und der Umgang zwischen Eltern und ihrem PDA-Kind vielleicht merkwürdig und befremdlich aus. Wenn Eltern die Erfahrung machen, dass herkömmliche und „autismusfreundliche“ (Erziehungs)Methoden nicht weiterhelfen, suchen sie in der Regel nach einem anderen Weg.

Im Alltag mit PDA-Kindern

... gibt es möglichst wenig starr festgelegte Vorgaben und Regeln.

… darf das Kind so viel wie möglich selbst entscheiden.

… bekommt das Kind so viel Kontrolle wie möglich.

… gibt es eher keine Strafen.

Es kann z. B. sein, dass das Kind ein Eis bekommt, wenn es „ausrastet“. Warum? Die Eltern wissen, dass das Kind gerade im Overload ist und dass ein Eis das Kind durch den Kältereiz etwas beruhigen kann. Das ist keine „Belohnung“!

Anmerkung: Bei allem Gewähren von Autonomie muss natürlich die Sicherheit und Gesundheit aller Beteiligten berücksichtigt werden.

… nach innen

Ein PDA-Kind kann starke Gefühlsschwankungen haben und seine Empfindungen in extremer Weise „mitteilen“. Es kann z. B. sein, dass das Kind extrem unfreundlich mit den Eltern spricht oder sie wahllos mit Dingen bewirft. Das sollten die Eltern nicht persönlich nehmen. Es ist stattdessen ein Ausdruck dafür, dass das Kind sich bei ihnen sicher fühlt und so zeigen kann, wie es ist.

Eltern von PDA-Kindern brauchen demnach ein sehr dickes Fell, gute Nerven und Selbstvertrauen.

Wichtige Anmerkung: Hier ist der Idealzustand beschrieben. Aber: Auch Eltern (von PDA-Kindern) sind Menschen und haben mal einen schlechten Tag. Das darf auch sein!

Humor

Humor ist in dreierlei Hinsicht hilfreich:

(1) um eine Verbindung und gute Beziehung zum Kind herzustellen und zu erhalten. Viele PDAer haben einen Sinn für Humor und mögen bspw. Wortspiele. Das kann für schöne gemeinsame Momente genutzt werden und damit eine starke Verbindung schaffen. Gemeinsames Lachen verbindet!

(2) um den Alltag zu entstressen. Humor eignet sich häufig prima, um einer Sache den Anforderungscharakter zu nehmen. Bspw. durch eine lustige Bemerkung, eine spaßig erzählte Geschichte, ein Über-sich-selbst-Lachen nimmt man den Fokus von der Anforderung selbst und nutzt „das Prinzip Ablenkung“.

(3) um selbst den Alltag zu bewältigen. Jede und jeder einzelne hat seine eigenen Strategien, um seinen Alltag zu gestalten und zu bewältigen. Wir finden unseren Alltag häufig so herausfordernd und irgendwie abstrus, dass es manchmal nur hilft, das Ganze mit Humor zu betrachten.

Nachsicht mit sich selbst

Wir schreiben häufig davon, wie der Alltag und alles, was damit zusammenhängt, so angepasst werden kann, dass es für den PDAer gut ist bzw. sein könnte (denn alles ist Versuch und Irrtum und was für einen Menschen funktioniert, muss für einen anderen nicht funktionieren). Aber es geht eigentlich immer um das Wohl des PDAers.

.. aber es gibt auch noch die Menschen drumherum. Und damit meinen wir erst mal alle, die mit dem PDAer unmittelbar in einem Haushalt leben – seien es die Eltern, andere Sorgeberechtigte, Geschwister etc.

Wir alle haben unsere Grenzen.

Wir alle sind Menschen.

Wir alle haben unsere Besonderheiten, unsere Bedürfnisse, unsere Bewältigungsstrategien, unsere Prägungen, unsere Kindheits-Erfahrungen, unsere Stärken, aber auch unsere Grenzen.

Mit einem PDAer zusammenzuleben, fordert allen Beteiligten viel ab.

Häufig werden die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt, alles um den PDAer herum organisiert, die eigenen Grenzen nicht gewahrt. Und es ist eben nicht möglich, sich dann, wenn es nötig wäre, eine Auszeit zu nehmen. Weil das alles durcheinanderbringen, dem PDAer seine Sicherheit nehmen würde.

Wir finden, es ist okay…

… mal die Geduld zu verlieren.

… sich selbst einzugestehen „ich kann nicht mehr“.

… das PDA-Kind stundenlang vor einem Bildschirm „zu parken“. Zumal das dem PDAer u.a. enorm bei der Stressregulation helfen kann.

Wir finden, es okay und absolut notwendig, dass das Kind erfährt, dass auch andere Menschen Grenzen haben. Es ist okay, nicht perfekt zu sein. Oft reicht „gut genug“. Und auch wenn etwas schlecht lief, können wir das erklären und im besten Fall fürs nächste Mal daraus lernen.

Flexibilität

Routinen und Pläne können großen Stress für einen PDAer bedeuten, weil sie Anforderungen darstellen und damit Vermeidungsverhalten auslösen können. PDAer neigen außerdem zu Stimmungsumschwüngen, die alles durcheinanderbringen können.

Um dem zu begegnen, müssen Eltern sehr flexibel sein. Das betrifft v. a. drei Bereiche.

(1) flexibel im Denken

Mit üblichen Erziehungsmethoden wie Belohnungen, Strafen und Konsequenzen („wenn du bei 3 nicht hier bist…“) oder der Formulierung klarer Erwartungen kommt man mit PDAern im Alltag häufig nicht weiter. Stattdessen ist ein radikaler Sichtwechsel gefordert, der ein uneingeschränktes Verständnis für das Kind und ein Sich-Einlassen auf ganz andere Strategien erfordert.

(2) flexibel in der Umsetzung

Es braucht Flexibilität in den Herangehensweisen:

– Auswählen von Prioritäten

– Anpassen an den jeweils aktuellen Stresspegel des PDAers

– Veränderung der eigenen Sprache (z. B. weitgehender Verzicht auf direkte Fragen)

– Abgeben von Kontrolle

– immer wieder neue Ideen usw.

(3) flexibel mit Plänen

Bei allen (eigentlichen) Plänen und Vorhaben muss einbezogen werden, dass z. B. aufgrund eines erhöhten Stresspegels oder einer unerwarteten Veränderung (wenn z. B. die übliche Jacke in der Wäsche ist) alles kippen kann und das Vorhaben verunmöglicht. Im besten Fall können die Eltern das akzeptieren und einen (unausgesprochenen) Plan B, C, D, … versuchen.

Manchmal braucht es auch erst ein „nein“ vom PDAer zu einem Vorschlag, damit er sich aus diesem „Nullpunkt“ heraus kurzfristig doch frei für ein „ja“ entscheiden kann. Dem PDAer diese für ihn unbedingt notwendige Kontrolle zuzugestehen und selbst flexibel genug dafür zu sein, kann aus unserer Sicht eine ziemliche Herausforderung für Eltern sein.