PDA

PDA-Checkliste

Diese Checkliste stellt eine Zusammenfassung der Hauptmerkmale der PDA sowie der häufig in der Anamnese zu findenden besonderen Themen bei PDA dar und stützt sich auf den diagnostischen Leitfaden der PDA Society[1], den Extreme Demand Avoidance Questionnaire[2] (EDA-Q) sowie einen persönlichen Austausch mit Ph.D. Casey Ehrlich[3]. Die Checkliste wurde durch Dr. med. N. Chou-Knecht, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie zusammengestellt. Sie stellt kein evaluiertes Diagnoseinstrument dar, sondern soll ein klinisches Interview bei Verdacht auf ein PDA-Profil unterstützen. Für die Diagnose eines PDA-Profils müssen ebenfalls die diagnostischen Kriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung gemäß ICD-11/DSM-5 erfüllt sein. Das Urheberrecht dieser Checkliste liegt bei Dr. med. N. Chou-Knecht, Schweiz.


1. Widersetzt sich und umgeht zwanghaft gewöhnliche Anforderungen des Lebens (Zähneputzen/Essen/Toilettengang/Termine) und Bitten.

  • Empfindet alltägliche Anforderungen (z. B. Anziehen, Essen, Toilettengang, Schulbesuch, Teilnahme am Klassenausflug, Termin beim Zahnarzt) als unerträglich stressig. Tut sich schwer damit, Anforderungen nachzukommen, wenn diese nicht vorsichtig (pda-spezifisch) präsentiert werden.
  • Die Anforderungen werden in der Regel einfach deshalb vermieden, weil es sich um Anforderungen handelt und nicht, weil die Tätigkeit als solche unangenehm ist.
  • Auch eigentlich gewollte Tätigkeiten und Grundbedürfnisse werden vermieden.
  • Vermeidet Tätigkeiten auch, wenn die Vermeidung sich zu seinem Nachteil auswirkt.
  • Als Grund für die Vermeidung kann Angst und ein damit verbundenes Kontrollbedürfnis erkannt werden.
  • Hört nicht gerne, dass er/sie etwas gut gemacht hat.
  • War als Baby passiv und anstrengend, wenn man versucht hat, sich mit ihm/ihr zu beschäftigen.

2. Verwendet soziale Strategien als Mittel der Vermeidung

  • Verwendet eine Vielzahl von Strategien, z. B. Ablenkung, komplizierte Ausreden (klagt z. B., krank oder körperlich nicht in der Lage zu sein), Hinauszögern, Ablehnung, Drohung, Rollenspiele, Rückzug in die Phantasie, Übernahme der Kontrolle (z. B. Verteilen von Anweisungen), fadenscheinige Lügen.
  • Wenn die gewählten sozialen Strategien nicht zum Ziel führen oder Druck ausgeübt wird, kann es zu einer raschen Eskalation kommen – dies bis hin zu Panikreaktionen, Weglaufen, Aggression, Meltdown (z. B. Schreien, Wutanfall, Schlagen, Treten), Shutdown, Selbstverletzungen.
  • Legt z. T. ungeheuerliches oder schockierendes Verhalten an den Tag, um sich vor etwas zu drücken.
  • Versucht, mit Erwachsenen bessere Konditionen zu verhandeln.
  • Benutzt Gleichaltrige als „mechanische Hilfsmittel“.
  • Lügt, betrügt, stiehlt, sabotiert.
  • Versucht bei einem Verlust von Autonomie das Gefühl der „Gleichberechtigung“ mit unterschiedlichen Strategien wieder herzustellen.

3. Verfügt oberflächlich über gute soziale Fertigkeiten, aber es fehlt ihm an Tiefe im sozialen Verständnis

  • Es ist eine gute Redegewandtheit mit ausdrucksstarkem Wortschatz vorhanden, die Verarbeitung der verbalen Kommunikation ist jedoch weniger gut ausgebildet.
  • Verwendet ausdrucksstarke Fragen, wartet Antworten jedoch nicht ab oder verarbeitet diese nicht.
  • Oberflächlich kontaktfreudig, aber offensichtlicher Mangel an Verständnis für soziale Identität, Stolz, Scham.
  • Kann gesprächig, charmant und extrovertiert sein oder eher introvertiert und darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
  • Unangemessene Kontaktfreudigkeit (schnelle, unerklärliche Veränderungen)
  • Zum Teil herrisch und dominierend
  • Hat Schwierigkeiten, soziale Hierarchien zu erkennen oder zu akzeptieren (benimmt sich wie Erwachsene). Scheint keinen Unterschied zu sehen zwischen sich selbst und Autoritätspersonen (z. B. Eltern, LehrerInnen, Polizei).
  • Kann bestimmend und dominierend sein. Sagt anderen Kindern, wie sie sich zu verhalten haben, glaubt aber nicht, dass diese Regeln auch auf ihn/sie selbst zutreffen.
  • Kann soziale Interaktionen kopieren und imitieren, um sich anzupassen (Masking).
  • Das Spielen kann sich starr und unflexibel gestalten. Besonders beim Spielen mit Gleichaltrigen kann das Bedürfnis bestehen, das Spiel zu kontrollieren.
  • Soziale Interaktionen müssen unter seinen/ihren eigenen Bedingungen stattfinden.
  • In den ersten Jahren hat eine auf fehlender sozialer Motivation bestehende Sprachentwicklungsverzögerung bestanden, welche danach schnell aufgeholt wurde.
  • Will unbedingt immer das Sagen haben, was von Kontrollbedürfnis geleitet ist.
  • Ahmt Erwachsene und ihr Verhalten nach (z. B. verwendet Sätze, die es von LehrerInnen/Eltern übernommen hat, um andere Kinder zurechtzuweisen).
  • Schockierendes Verhalten in der Öffentlichkeit. Zeigt kaum Anzeichen für Scham oder Verlegenheit (es ist ihm zum Beispiel nicht peinlich, in der Öffentlichkeit einen Wutanfall zu bekommen).
  • Leugnet Fehlverhalten, auch wenn er/sie auf frischer Tat ertappt wurde.
  • Bemüht sich nicht, unter Gleichaltrigen einen guten Ruf zu behalten.
  • Häufige soziale Konflikte/Missverständnisse
  • Schiebt Schuld auf andere.

4. Erlebt exzessive Stimmungsschwankungen

  • Die Stimmungsschwankungen werden durch scheinbar kleine Auslöser oder alltägliche Ereignisse ausgelöst, insbesondere wenn die aktuelle Toleranz niedrig ist oder sich Stress angesammelt hat. Die Stimmung schlägt schnell um (z. B. von liebevoll zu wütend innerhalb eines kurzen Augenblicks).
  • Es erscheint, als ob es „von innen“ abgelenkt wird.
  • Mitmenschen haben oft das Gefühl, auf „Eierschalen laufen“ zu müssen, um keinen Stimmungswechsel auszulösen.
  • Das Kind reagiert bei Stimmungsschwankungen entweder stark externalisierend oder internalisierend.
  • Während der Stimmungsschwankungen verliert das Kind oft die Kontrolle und scheint von einer Angst- bzw. Flight/Fight/Freeze-Reaktion geleitet zu sein.
  • Ist auf die volle und uneingeschränkte Aufmerksamkeit einer Bezugsperson angewiesen – dies im Sinne eines Angebotes von Co-Regulation.

5. „Zwanghaftes Verhalten“, das sich oft auf andere Menschen konzentriert

  • Kann andere gut dazu bringen, Dinge so zu tun, wie er/sie es möchte.
  • Hat eher ASS-untypische Spezialinteressen, welche auch nicht so lange dauern bzw. immer wieder wechseln.
  • Kann von einem Freund oder Geschwisterteil fasziniert sein und versuchen, diesen zu kopieren, aber auch zu kontrollieren.
  • Beschuldigt eine bestimmte Person oder hat es auf eine bestimmte Person abgesehen.
  • Das zwanghafte Verhalten führt zu einer extremen Anhänglichkeit und Kontrollverhalten (dies oft in Bezug auf die Mutter).
  • Weiß ganz genau, was es tun oder sagen muss, um bestimmte Leute aufzuregen.
  • Die bei ASS angewandten strengen Routinen und visuellen Zeitpläne sind nicht wirksam und führen den Betroffenen noch mehr in die Vermeidung bzw. führen zur Eskalation.
  • Hat ziemlich fixe eigene Vorstellungen, was er/sie wie und wann tun will.

6. Scheint sich im Rollenspiel und dem So-tun-als-ob wohl zu fühlen

  • Nimmt Rollen oder Charaktere an (aus dem Fernsehen oder dem wirklichen Leben) und „lebt sie aus“.
  • Erfindet Fantasiewelten oder Spiele und lebt sie aus.
  • Zieht es vor, mit anderen in einer angenommenen Rolle oder durch Hilfsmittel/Spielzeug zu kommunizieren.

7. Weitere charakteristische Merkmale und charakteristische Themen in der Anamnese

  • Maskiert seine Schwierigkeiten bewusst oder unbewusst in verschiedenen Settings, dies ev. nur für eine gewisse Zeit. Kann sich also in verschiedenen Umgebungen oberflächlich gesehen „ganz unterschiedlich“ präsentieren.
  • Das Masking hat zu Missverständnissen und Schuldzuweisung zwischen verschiedenen Bezugspersonen geführt oder es wurde der Verdacht geäußert, dass die Vermeidung bewusst gewählt wird.
  • Das Masking hat dazu geführt, dass bei einem Elternteil der Verdacht auf ein Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom gestellt wurde.
  • Traditionelle Erziehungsansätze (Lob/Grenzen/Belohnung/Konsequenzen) oder bekannte ASS-Strategien (Konsistenz/Struktur/Klarheit/visuelle Zeitpläne) haben sich als unwirksam gezeigt oder sogar zur Eskalation geführt.
  • PDA-Strategien konnten bereits zu positiven Ergebnissen führen.
  • Es besteht eine Liste von früheren Diagnosen oder es bestehen gar keine Diagnosen und dennoch wirkt das Verhalten unverständlich oder verwirrend.
  • Es besteht eine ASS-Diagnose, welche nicht ganz passt, oder die Person liegt an der Schwelle zur ASS-Diagnose, hat die Kriterien aber nicht voll erfüllt.
  • Es besteht eine ADHS, welche die ASS-Züge ev. überschattet.
  • Es besteht eine Vorgeschichte mit vielen versäumten Terminen.
  • Es besteht eine Vorgeschichte mit regelmäßiger Schulverweigerung oder wiederholtem Schulausschluss.
  • Die Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus hat versagt.

[1] Multidisciplinary group of professionals working in the NHS and private practice, PDA Society (2022) Identifying & Assessing a PDA profile – Practice Guidance

[2] O’Nions et al (2014) Development of the ‘Extreme Demand Avoidance Questionnaire’ (EDA-Q): Preliminary observations on a trait measure for Pathological Demand Avoidance. The Journal of Child Psychology and Psychiatry.

[3] Casey Ehrlich, Ph.D. (political scientist specializing in research methodology) Founder, At Peace Parents, LLC and co-founder of „PDA Parents“ podcast. Michigan, USA.