PDA

Erste Hilfe bei PDA?

Hast Du erst vor kurzem den Light-Bulb-Moment erlebt, bei welchem Dir klar wurde, dass die Besonderheiten Deines Kindes durch PDA verursacht sein müssen, weil dadurch alles, was vorher unglaublich verwirrend war, plötzlich völlig klar und nachvollziehbar wird? Diese Erkenntis geht gemäß unserer Erfahrung zunächst mit einem Gefühl von unglaublicher Erleichterung einher. Doch bald darauf kommen viele Fragen auf. Wie geht es nun weiter? Wie kann ich mein Kind adäquat unterstützen? PDA ist in den deutschsprachigen Ländern kaum bekannt oder anerkannt. Es gibt bisher nur sehr wenige Fachpersonen, welche PDA-spezifische Beratung anbieten. Welche ersten Schritte kannst Du also umsetzen, damit es Euch als PDA-Familie besser geht und Ihr endlich einen Weg aus dysfunktionalen, mit extremem Stress verbundenen Eskalationsspiralen findet?

Damit Du nicht gleich unsere ganze Website durchforschen oder englische Bücher lesen musst, bevor Du erste hilfreiche Strategien anwenden kannst, empfehlen wir Dir als Einführung unseren Beitrag zu ersten Schritten. Außerdem stellen wir Dir hier gerne die von der PDA-Society entwickelten PANDA-Approaches und Keys to Care vor. Wir Autorinnen stehen im Austausch mit der PDA-Society. Die beiden genannten Dokumente wurden von E. Carl auf Deutsch übersetzt und sind nun auf der Website der PDA-Society zu finden; wir haben sie für Euch verlinkt.

Grundsätzlich bewähren sich im Umgang mit einem PDA-Kind alle Strategien, bei welchen das Aussprechen von direkten Anforderungen umgangen und dem Kind möglichst viel Wahl und Autonomie angeboten wird, so dass es ein Gefühl von Kontrolle über die Situation erlangt. Auch Abwechslung, Rollenspiel und Humor können sich als sehr hilfreich erweisen. Durch diese Strategien soll vermieden werden, dass die für unbewusste Stressreaktionen verantwortlichen Hirnzentren (z. B. Amygdala) über das Gefühl von Kontrollverlust beim Kind angetriggert werden. Das Ziel ist, dass der Präfrontale Cortex des Kindes, als der Ort des rationalen Denkens, die Führung wieder übernehmen kann. Sobald diese Hirnregion aktiv ist, kann sich das Kind neu „orientieren“ und seine Handlungen bewusst steuern.

PANDA-Approaches

Pick Battles

  • Kämpfe weise auswählen
  • Regeln minimieren
  • Auswahl und Kontrolle ermöglichen
  • Gründe erklären
  • Grenzen des Kindes akzeptieren

Anxiety Management

  • Weg des geringsten Widerstandes wählen
  • Unsicherheit reduzieren
  • Die der Verweigerung zugrunde liegende Angst sowie soziale und sensorische Herausforderungen erkennen
  • Vorausdenken
  • Herausforderndes Verhalten als durch Panik begründet erkennen und wie eine Panikattacke behandeln
  • Hindurchhelfen und weitermachen

Negotiation and Collaboration

  • Verhandeln und Zusammenarbeiten
  • Ruhig bleiben
  • Herausforderungen proaktiv und gemeinsam lösen
  • Fairness und Vertrauen als Basis

Disguise and manage Demands

  • Anforderungen verschleiern und managen
  • Bitten und Aufforderung indirekt formulieren
  • Aktuelle Toleranz für Anforderungen beobachten und Anforderungen anpassen
  • Kind bei Anforderungen unterstützen, Dinge gemeinsam tun

Adaption

  • Anpassung und Flexibilität
  • Humor, Ablenkung, Neuartigkeit und Rollenspiele ausprobieren
  • Einen Plan B bereit haben
  • Viel Zeit ermöglichen
  • Gleichgewicht zwischen geben und nehmen herstellen

Hier noch einmal der Link zur grafischen Darstellung der PANDA-Approaches auf Deutsch: https://www.pdasociety.org.uk/resources/panda-approaches-in-german/

Keys to Care

Die „Schlüssel für die Betreuung“ helfen dazu, einen Shift in unserem Denken zu erlangen. Ein Mangel an Verständnis führt zu großem Leid und zu immer schwierigeren Verhaltensweisen des Kindes. Das PDA-Profil stellt vieles, was Du bisher über Erziehung weißt, auf den Kopf. Nur mit einer neuen Sicht auf die PDA-typischen Muster wird es Dir gelingen, einen auf das Kind angepassten Interaktionsstil mit ihm zu finden, welcher Euch mit der Zeit in eine viel bessere Beziehungsqualität hineinführen wird. Untenstehend die Keys to Care in leicht verkürzter Form.

Grundlegende Empfehlungen

  • Sieh die Person selbst, entdecke ihre Interessen
  • Nähere Dich PDA, als würdest Du Dich um einen Panda kümmern – schaff die Umgebung, die der Person ein gutes Gedeihen ermöglicht.
  • Indirekt formulierte Aufforderungen und auch Schweigen unterstützen das Erledigen von Aufgaben.
  • Strafen und Konsequenzen funktionieren nicht und machen alles schlimmer.
  • Erlaube eine gewisse Kontrolle und Auswahl sowie Verhandlungen.
  • Verarbeitung von Gehörtem kann länger dauern als erwartet: Lass der Person Zeit.
  • Fairness und Vertrauen sind zentral; wenn sich Dinge verändern, sei klar und ehrlich mit dem Warum.
  • Zusammenarbeit, Flexibilität, Vielfalt und Humor funktionieren gut.

Wissenswertes zum Thema Vermeidung

  • Vermeidung ist keine Entscheidung.
  • Ich kann Deinen Bitten, Anweisungen und sogar meinen eigenen Wünschen nicht nachkommen.
  • Meine Angst ist oft nicht sichtbar (ich lenke Dich stattdessen ab, ignoriere Dich oder erscheine ärgerlich).
  • Wenn ich gedrängt werde, kann dies eine plötzliche Fight-Flight-Freeze-Reaktion auslösen.

-> Schlussfolgerungen aus diesen Erkenntnissen:

  • Betrachte PDA als permanente Anforderungsangst.
  • Formuliere Bitten und andere Kommunikation indirekt.
  • Dinge zusammen machen hilft.
  • Beobachte wichtige Bereiche, um Gesundheitsprobleme zu vermeiden (z. B. Dehydrierung).

Stimmung und emotionale Stressreaktion

  • PDA kann dazu führen, dass ich mich aufgeregt und energiegeladen oder lethargisch fühle.
  • Stimmungsveränderungen können in schneller Abfolge eintreten.
  • Auch Stressreaktionen wie Meltdowns, Shutdowns, Flüchten, verbale und physische Agressionen oder Selbstverletzungen können schnell auftreten, dies vor allem bei Erschöpfung und Gefühl der Überwältigung.
  • Oft kenne ich den Auslöser für die Stressreaktionen nicht und fühle mich nachher schuldig.

-> Schlussfolgerungen aus diesen Erkenntnissen:

  • Rechne mit Stimmungsschwankungen.
  • Überwache ständig die Toleranz für Anforderungen und passe die Anforderungen entsprechend an.
  • Behandle Stressreaktionen wie Panikattacken.
  • Halte die Stimmung ruhig und die Körpersprache submissiv.
  • Hilf mir durch Stressreaktionen hindurch (Vielleicht kann ich keine Sprache verarbeiten oder keine Berührungen tolerieren).
  • Mach nach der Stressreaktion ohne viel Aufhebens weiter (ermögliche Beruhigung und Erholung).

Routinen und Planung

  • Ein gewisses Maß an Routinen ist hilfreich, aber darin brauche ich etwas Flexibilität und das Gefühl von Kontrolle.
  • Jede Veränderung von meiner Umgebung erfordert Vorwarnung – wenn ich über Details mitverhandeln darf, fördert dies meine Akzeptanz.

-> Schlussfolgerungen aus diesen Erkenntnissen:

  • Akzeptiere, dass manche Dinge nicht gemacht werden können.
  • Ermögliche Auswahl.
  • Denke proaktiv voraus.
  • Sei flexibel mit Ziel und Herangehensweise.

Sensorische Schwierigkeiten

  • Vielleicht habe ich sensorische Verarbeitungsschwierigkeiten: Empfindlichkeit gegenüber Licht/Berührung/Texturen/Gerüchen/ Lebensmitteln.
  • Vielleicht habe ich auch sensorische Integrationsschwierigkeiten rund um Bewegung, Gleichgewicht oder das Verstehen von Signalen meines Körpers.
  • Dies kann dazu führen, dass ich mich sehr unreguliert fühle.

-> Schlussfolgerungen aus diesen Erkenntnissen:

  • Beachte, dass sensorische Überempfindlichkeiten mein Verhalten beeinflussen können.
  • Ermittle meine sensorischen Bedürfnisse.
  • Finde Wege, wie meine Ernährung auf PDA-freundlichem Weg umgesetzt werden kann.

Aktivitäten und Interessen

  • Wenn Du Dich auf meine Spezialinteressen einlässt, werde ich anfangen, Dich zu mögen und Dir zu vertrauen.
  • Sobald ich Vertrauen aufgebaut habe, können wir vielleicht mehr Aktivitäten ausüben.

-> Schlussfolgerungen aus diesen Erkenntnissen:

  • Frage, was ich machen möchte und lasse Dich aufrichtig darauf ein.
  • Erforsche genau, was machbar ist und erstelle eine kurze Liste mit Aktivitäten, über welche wir diskutieren können.
  • Kündige Ausflüge und Aktivitäten vorher kurz an.
  • Bleibe flexibel, denn die Aktivität kann zur Anforderung werden.

Hier noch einmal der Link zu dem auf Deutsch übersetzten Merkblatt zu den Keys to Care: https://www.pdasociety.org.uk/resources/keys-to-care-in-german/